Als Bildungskampagne „Schule muss anders“ sind wir bestürzt darüber, dass nach jetzigem Stand bei den Haushaltsverhandlungen Gelder in der Lehrkräftebildung gestrichen werden sollen. Daher haben wir diese Pressemitteilung rausgegeben.
Pressemeldung: Streicht Rot-Grün-Rot Gelder bei der Lehrkräftebildung? 10 Mio. € im Haushalt anscheinend verschollen
Berlin, 28. April 2022
Berlin fehlen tausende Lehrkräfte, um allen Kindern eine gute Schule zu bieten. Der Mangel ist so eklatant, dass keine einzige Schule in der Hauptstadt personell zu 100% ausgestattet ist, wie kürzlich durch eine Anfrage der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus bekannt wurde. Die Lage wird sich in den nächsten Jahren dramatisch zuspitzen.
Viele Unklarheiten und fehlende verbindlichen Aussagen
Anstatt jedoch die angekündigte Ausbildungsoffensive zu starten scheint Rot-Grün-Rot bei der Lehrkräftebildung kürzen zu wollen. Konkret geht es um 10 Mio. €, die für die Fortführung des Sonderprogramms „Beste (Lehrkräfte-)Bildung in Berlin“ in den Koalitionsverhandlungen vereinbart waren. Im aktuellen Haushaltsentwurf sind diese nicht auffindbar. Auf konkrete Nachfragen dazu von Schule muss anders folgen bislang nur vage und sehr unterschiedliche Aussagen, die sich nicht in ein Gesamtbild einordnen lassen: Während die Senatsbildungsverwaltung sagt, dass keine zusätzlichen Gelder für das Sonderprogramm zur Lehrkräftebildung vorgesehen sind, heißt es aus der Finanzverwaltung, dass Gelder vorgesehen seien, die Höhe aber unklar sei. Sollten die 10 Mio. € tatsächlich gestrichen worden sein, hieße das, dass das Sonderprogramm „Beste (Lehrkräfte-)Bildung in Berlin“ für die Jahre 2022 und 2023 nicht finanziert ist.
Die Bildungskampagne Schule muss anders fordert daher, dass der Wissenschaftsausschuss, der am Montag (2. Mai) tagt, die 10 Mio. € für die Lehrkräftebildung in seinem Haushaltskapitel einplant.
„Vor dem Hintergrund des aktuellen Lehrkräftemangels und der Situation an den Universitäten wäre die Nicht-Fortführung des Sonderprogramms zur Lehrkräftebildung skandalös!“, warnt Claudius Baumann, selbst Lehramtsstudierender und Teil der Bildungskampagne Schule muss anders. „Im Juni 2020 hatte Rot-Rot-Grün als Reaktion auf den eklatanten Lehrkräftemangel in Berlin das Sonderprogramm verabschiedet. Die Universitäten sollten mehr Gelder und Stellen bekommen, um mehr Lehrkräfte auszubilden. Das dringend benötigte Programm ist noch nicht einmal vollständig umgesetzt, und jetzt scheint es so, dass die Gelder schon wieder gestrichen werden sollen.“
Absurd erscheint diese Entscheidung vor allem vor dem Hintergrund, dass der Lehrkräftemangel eines der zentralen Bildungsprobleme der Hauptstadt ist. „Die Berliner Unis verfehlen bereits mit bisher 900 Lehramtsabsolvent*innen das selbst gesteckte jährliche offizielle Ziel von 2.000 Absolvent*innen deutlich. In dieser Situation auch noch die 10 Mio. € für das Sonderprogramm zu streichen, würde Bildungsungerechtigkeit zementieren“, beschreibt Philipp Dehne, Co-Sprecher von Schule muss anders, das Problem und verweist auf eine der Kampagnenforderungen von Schule muss anders. „Tatsächlich fordern wir, dass die Berliner Unis 3.000 Lehrkräfte jährlich ausbilden. Nur so kann dem sich immer stärker werdenden Mangel an Lehrkräften entgegengewirkt und genügend Personal für eine gute, gerechte und inklusive Schule bereitgestellt werden“, erklärt Dehne.
Auf das gravierende Problem, dass Berlin viel zu wenige Lehrkräfte ausbildet, hatten vor kurzem auch der ehemalige Staatssekretär für Bildung Mark Rackles, der Bildungsforscher Klaus Klemm und die GEW Berlin während einer Anhörung im Bildungsausschuss hingewiesen. (Link zum Wortprotokoll der Anhörung https://ww- w.parlament-berlin.de/ados/19/BildJugFam/protokoll/bjf19-004-wp.pdf).
Aylin Jordan hat gleich an zwei Stellen mit dem Berliner Bildungsmangel zu tun. Als Mutter von drei Kindern sieht sie die absolute Dringlichkeit, Schüler*innen und Schulen besser zu unterstützen, ganz konkret auch mit zusätzlichem Personal. Als Unterrichtende in der Lehrkräftebildung erlebt sie, dass die Universitäten teilweise an ihre Grenzen geraten und mehr Unterstützung brauchen, um diese Aufgabe auch leisten zu können. „Die 10 Mio. € für das Sonderprogramm Lehrkräftebildung sind dringend nötg, damit wir Lehramtsstudierende sinnvoll und qualitativ angemessen ausbilden können. Hierfür braucht es außerdem zusätzliche Professuren und einen besseren Personalschlüssel vor allem für das Praxissemester“, berichtet sie aus der Praxis.
Aline Oloff, die als Elternteil eines Grundschulkindes bei Schule muss anders und als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin auch hochschulpolitisch aktiv ist, fragt nach den Auswirkungen, sollte das Sonderprogramm nicht weiter finanziert werden. Wie geht es dann mit dem begonnenen Kapazitätsausbau an den Uni- versitäten weiter? Sie befürchtet: „Bewahrheitet sich die Finanzierungslücke für die Jahre 22 und 23, dann ist das Sonderprogramm vom Tisch. Ein fatales Signal für die anstehenden Hochschulvertragsverhandlungen – und die Berliner Schulen.“
Im Koalitionsvertrag steht, dass die „Beste (Lehrkräfte-)Bildung in Berlin“ im Rahmen der Hochschulverhand- lungen festgesetzt werden sollen, diese wurden aus sinnvollen Gründen um ein Jahr verschoben und die Frage stellt sich somit zunächst wie es nun konkret um die Finanzierung für die Jahre 2022 und 2023 bestellt, deren finanzielle Absicherung ebenso gewichtig ist.
Kurzinfo zum Sonderprogramm „Beste (Lehrkräfte-)Bildung für Berlin“
Das Sonderprogramm „Beste (Lehrkräfte-)Bildung für Berlin“ wurde im Juni 2020 von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und der Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung und den vier lehrkräftebildenden Universitäten gemeinsam beschlossen. Das erklärte Ziel war „beste Lehrkräfte für das Berliner Schulsystem auszubilden.“ Es sollte die Anzahl der Absolvent*innen erhöht wie auch die Qualität der Lehrkräftebildung verbessert werden.
Konkret sollten die in den Hochschulverträgen festgelegten Zielzahlen von 2.000 Absolvent*innen jährlich weiter bedarfsgerecht erhöht werden. Doch wurden bisher weder die Zielzahlen erhöht, noch die alte Zielzahl von 2.000 erreicht.
Die Laufzeit des Sonderprogramms war zunächst von Juni 2020 bis Ende 2022 angelegt, dafür sollten insgesamt 15,4 Mio. € zur Verfügung gestellt werden. Allein für 2022 waren Ausgaben von 6,55 Mio. € vorgesehen. Anschließend sollte die Finanzierung des Sonderprogramms über die neu zu verhandelnden Hochschulverträge ab dem Jahr 2023 geregelt werden. Die Hochschulverträge sind allerdings um ein Jahr verlängert worden und werden nun erst ab Herbst für den Zeitraum ab 2024 neu verhandelt. Die Finanzierung des Sonderprogramms für 2023 ist also ungeklärt. Und auch die für 2022 vorgesehenen 6,55 Mio. € sollten im Haushaltsentwurf stehen, sind aber nicht auffindbar.
Im aktuellen Berliner Koalitionsvertrag ist hingegen vereinbart, das Sonderprogramm Beste (Lehrkräfte-)Bildung für Berlin zu verstetigen sowie die Studienplatzkapazitäten bedarfsgerecht zu erhöhen und zusätzlich zu finanzieren. Hierfür waren für 2022/23 zunächst 10 Mio. € zusätzlich vorgesehen.
Die Kampagne:
Im April 2021 startete die Kampagne Schule muss anders. Mehrere hundert Berlinerinnen und Berliner (Lehrkräfte, Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen, Schüler*innen, Eltern und viele andere an Bildung Interessierte) haben sich seit dem offiziellen Kampagnenstart am 19.04.2021 der Bewegung angeschlossen und setzen sich gemeinsam mit den Bündnispartnern „Schule in Not“, dem „Berliner Bündnis für schulische Inklusion“, den „Berliner Bürgerplattormen“, der „GEW Berlin“, der „Lehramtsinitiative Kreidestaub“ und dem „Landesverband der Kita- und Schulfördervereine Berlin-Brandenburg e.V. (lsfb) “ für mehr Bildungsgerechtigkeit und bessere Arbeitsvoraussetzungen an Berliner Schulen ein.